Die Theatergruppe „Encore 2.0“ hatte zur Premiere von „Tremendous Inspirations“ eingeladen.
BENSHEIM. Mit Theater im Theater eröffnete die Truppe "Encore 2.0" einen rundum gelungenen "Short-Play"-Abend im Speichertheater des AKG. Unter dem Titel "Tremendous Inspirations" schrieben die Akteure, die als ehemalige Schüler auf der englischsprachigen AKG-Bühne standen, drei Kurzgeschichten in eine spritzige Dramaturgie um.
Damit führten sie am Freitag die Zuschauer im Parforceritt durch zwar kontrastreiche fiktive Welten, denen aber eines gemeinsam war: Tiefgang ins Labyrinth der menschlichen Emotionen.
Der Autor Jonas Hock rückt in seinem Stück "In the audience" die Reaktion des Theaterbesuchers auf das Schauspiel ins Zentrum. Er spannt eine kommunikative Kette zwischen Inszenierung, Wirkung und der individuellen Verarbeitung. Auf der AKG-Bühne füllten sich an beiden Seiten die Theaterränge. Unter die Zuschauer mischte sich der Regisseur, der die Inszenierung bereits in höchsten Tönen anpries, bevor überhaupt die Glocke zum Start gebimmelt hatte. Lauter kleine Schnipsel sorgten für Aufregung im Publikum, in dem sich ein breites Meinungsspektrum entfaltete. Der Pessimist winkte ab, während sich seine Begleiterin, wenn auch zurückhaltend, auf das konsumierende Vergnügen einlassen konnte.
Ob nun der alberne Clown mit der roten Nase hereinspazierte und seinen Schabernack trieb, ein Monolog über die Diskrepanz zwischen heißer Liebessehnsucht und unerträglicher Nähe mitreißen sollte, oder die Muse sich auf dem destruktiven Tableau bewegte und sogar den körperlichen Zusammenbruch inszenierte: der Funke der Begeisterung, den der Regisseur verströmte, sprang nicht aufs Publikum über.
Verbaler Schlagabtausch
Es verließ demonstrativ den Theatersaal. Nur zwei Gästen schien der Auftritt neue Dimensionen zu eröffnen: Ihr Einstieg in die Theaterwelt ließ sie eng umschlungen zu neuen Ufern schreiten.
Wie eine Fortsetzung der Thematik fügte sich Tennessee Williams Kurzgeschichte "Every twenty minutes" ein. Zwei Sessel am Tisch ließen Zweisamkeit vermuten. Die Szene konterkarierte allerdings jegliche romantische Idylle. Im Zentrum stand mit Mildred und George ein Pärchen, das die Waffen im Beziehungsgefecht messerscharf gewetzt hatte. Nicht nur im verbalen Schlagabtausch taten sich Abgründe auf. Ihre Körperhaltung sprach Bände.
Zornig schaukelte sich Mildred in einer eskalierenden Spirale der Emotionen hoch, ironisierte, schrie cholerisch und rannte aufgewühlt hin und her. Sie zog alle Register, die aber an George spurlos abprallten. Er mimte den Fels in der Brandung und kostete den Ausbruch seiner Frau sichtlich aus. Wunderbar, wie die beiden Akteure mit einem nonverbalen Ausdruck in der Kommunikation arbeiteten und Gegensätze - wie in einer DNA-Kette - scheinbar passend zugeschnitten hatten, als seien sie füreinander gemacht.
Einen guten Ausblick verhieß zum Abschluss die Inszenierung von Tennessee Williams Short-Story "The Case of the Crushed Petunias". Die Besitzerin eines kleinen, schnuckeligen Ladens empörte sich über die niedergetretenen Petunien vor ihrem Geschäft. Die bunte Pracht hatte ihr stets mehr bedeutet als ein adrettes Aushängeschild in ihrer kleinen, scheinbar heilen Welt.
Der kaugummikauende Polizist zeigte wenig Interesse, dem Übeltäter auf die Spur zu kommen, obwohl dieser seine großen Fußspuren im Beet hinterlassen hatte. Der Verursacher trat persönlich im Laden auf, aber nicht etwa um den Schaden mit Geld auszugleichen. Der Mann mit Schuhgröße 46 bot nur eines an: große Worte über die Ungewissheit in der spannenden Welt, fernab des kleinkrämerischen Gehabe und Getue im bürgerlichen Mief.
Und Dorothy brach auf - der Utopie entgegen. moni
© Bergsträßer Anzeiger, Montag, 15.09.2014
