GYMNASIUM: Nicola Wölbern wurde als neue Schulleiterin ins Amt eingeführt / Eine Ex-Referendarin als Baustellen-Chefin
Von unserem Mitarbeiter Thomas Tritsch
BENSHEIM. Fast genau 20 Jahre nach Beginn ihres Referendariats am AKG übernimmt Nicola Wölbern die Leitung des Bensheimer Gymnasiums. Mit ihrer Rückkehr wird die Oberstudienrätin nicht nur Chefin einer traditionsreichen Schule, sondern auch eine Art Baustellenleiterin: Bis Sommer 2019 wird der Campus generalsaniert und umgebaut.
Sie möge Baustellen, sagte Nicola Wölbern in der voll besetzten Mensa, wo sie offiziell in ihr neues Amt eingeführt wurde. Nach der Verabschiedung von Karlheinz Wecht in den Ruhestand im Juli dieses Jahres übernahm Dr. Hans-Jürgen Boysen-Stern den Posten kommissarisch. Dafür hörte der Oberstufenleiter den geballten Applaus der Schulgemeinde, die Boysen-Stern eine exzellente Interimsleitung bescheinigte. "Er hat das AKG sehr engagiert und vorausblickend geführt", sagte auch Nicola Wölbern, die sich bereits seit Sommer als abgeordnete Stellvertreterin mit dem neuen Wirkungsbereich vertraut machen konnte.
Chefin einer Dauerbaustelle
"Ich beauftrage Sie mit einer Dauerbaustelle", sagte die Gymnasial-Dezernentin Birgit Knauf-Goedeking vom Staatlichen Schulamt in Heppenheim. Sie meinte das in einem konkreten wie im übertragenen Sinne: Schule sei geprägt von jährlich neuen Schülern und Eltern sowie einer dynamischen curricularen Anpassung und Weiterentwicklung. Gesellschaft und Bildung seien im permanenten Wandel. "Schule muss sich auf neue Tendenzen in der Arbeitswelt einstellen", so Knauf-Goedeking, die erst vor zwei Wochen auch am Goethe-Gymnasium einen neuen Schulleiter ernannt hatte. Klaus Holl war ebenso zur Amtseinführung der Kollegin gekommen wie etliche weitere Vertreter aus den Bensheimer und Bergsträßer Schulen. Mit Klaus Knoche und seinem Nachfolger Karlheinz Wecht (Stellvertreter ab 1998, Leiter ab 2007) sowie dessen ebenfalls im Sommer ausgeschiedenen Stellvertreter Udo Jeserigk waren die Direktoren der letzten zwei Jahrzehnte anwesend.
Erstmals in der 330-jährigen Geschichte des AKG (ehemalige Bensheimer Lateinschule) sitzt eine Frau am Ruder des ältesten Gymnasiums am Platz. Nach dem Studium in Marburg war Nicola Wölbern ab 1998 an der Rabanus-Maurus-Schule in Fulda tätig. Dort arbeitete sie auch als Fachberaterin Mathematik am Staatlichen Schulamt.
2010 wechselte die Physikerin an die Leibnizschule nach Offenbach, wo sie als stellvertretende Schulleiterin ab 2013 ein eigenes Budget der selbstständigen Schule verwalten musste. Der Sprung nach Bensheim ist eine Rückkehr an den Ort ihrer pädagogischen Lehrzeit. Von 1996 bis 1998 absolvierte sie am AKG ihr Referendariat. Viele Lehrer erinnern sich noch gut und gerne, wie am Rande der Veranstaltung zu erfahren war.
Dass Amtsschimmel bisweilen auch schnell galoppieren können, betonte Landrat Christian Engelhardt in Bezug auf die kurzfristige Einladung zur Inaugurationsfeier, wie das AKG den Festakt überschrieben hatte. Die Entscheidung für Nicola Wölbern sei am Ende doch plötzlicher gefallen als erwartet. Umso besser für eine "Spitzenschule im Kreis" (Engelhardt), die sich trotz ihrer langen Tradition zu einem modernen humanistischen Gymnasium entwickelt habe - mit musikalischen, altsprachlichen und sportlichen Schwerpunkten.
20 Millionen für Umgestaltung
Der Landkreis investiert bis 2019 mehr als 20 Millionen Euro in die Umgestaltung des AKG. Zunächst erhält die Schule einen modernen und energieeffizienten Neubau für die Naturwissenschaftler. Das Gebäude wird hinter der Mensa zur Mozartstraße hin entstehen. Die Kosten belaufen sich auf 3,9 Millionen Euro. Danach folgt die Sanierung des Haupthauses.
Im ersten Bauabschnitt werden die Mediathek und die EDV-Fachklassen sowie zwölf Klassenräume im südlichen Trakt untergebracht. Dann werden die Verwaltung und 24 weitere Zimmer saniert. In einem letzten Schritt steht die Gestaltung der Außenanlagen an. Die alte Turnhalle soll zur Mediathek umgebaut werden. An deren Finanzierung beteiligt sich der Förderverein.
Dessen Vorsitzender Thomas von Machui freut sich auf die Zusammenarbeit mit der neuen Leiterin. Die Renovierung der Schule erschöpfe sich mit diesem Schritt nicht nur in Äußerlichkeiten. Auch die inneren Strukturen seien damit weiterhin in Bewegung.
"Das AKG bleibt anspruchsvoll, aber nicht elitär." Bereits vor 110 Jahren habe das Gymnasium die ersten Mädchen aufgenommen. Heute zählt die Schule 386 Schülerinnen und 533 Schüler, rechnete von Machui vor. Mit einer weiblichen Direktorin erlebe man einen historischen Umbruch.
Nicola Wölbern sieht sich als eine Art "Reiseleiterin", die in Gesellschaft einer bunten pädagogischen Gruppe die Richtung vorgibt. Dies könne aber nur gelingen, wenn ihr die Kollegen folgen, so die Oberstudienrätin in ihrer Rede vor versammelter Mannschaft.
Sie sprach von einer "traumhaften Zusammenarbeit" mit Birgit Knauf-Goedeking und Dr. Hans-Jürgen Boysen-Stern, der das AKG in den wenigen Monaten als kommissarischer Schulleiter als dynamischen Lernort weiter geschärft habe. "Eine großartige Schule bleibt in Bewegung."
Wölbern betonte die die innere Vielfalt und das Engagement der gesamten Schulgemeinde, die weiterhin selbstbewusst an ihren Zielen arbeiten werde.
Den seit 2015 laufenden Umbau kommentierte sie als "Vision 2020". Der Sanierungsprozess sei lediglich der Weg zum erklärten Ziel, das AKG mit neuen Räumlichkeiten für die Zukunft fit zu machen. Sie hoffe, dass der Kreis als Schulträger das Gymnasium bei allen wichtigen Entscheidungen mit einbeziehe. "Es ist ein Unterschied, ob man ein Gebäude theoretisch oder praktisch nutzt", sagte Nicola Wölbern Richtung Heppenheim. Aber auch innerhalb des Gymnasiums wolle sie für einen vitalen Dialog und maximale Transparenz sorgen - nicht nur im Kontext der Generalsanierung.
Die Rückkehr zu G 9 sei eine besondere, aber lohnenswerte Kraftanstrengung. "Es geht um Bildung ohne Zeitmangel." Die Kehrtwende zum neunjährigen Gymnasium sei kein qualitativer Verlust - im Gegenteil: Dies sei der beste Weg zu einem humanistischen Bildungsideal, wie es am AKG gelebt werde.
Vor neuen Ideen und Veränderungen hat Nicola Wölbern keine Scheu. "Als Physikerin experimentiere ich gern!" tr
SCHON JETZT EIN EINGESPIELTES TEAM
Schulelternbeiratsvorsitzender Hartmut Opfermann lobte Dr. Hans-Jürgen Boysen-Stern. Er habe die Übergangsphase mit viel Elan und Verstand gemeistert.
Die neue Schulleiterin bezeichnete er als großen Gewinn für das AKG, das durch den Umbau endlich mehr Platz für das vielfältige ganztägige Bildungsangebot genießen werde. Opfermann appellierte auch daran, die Schulküche zu erhalten. Diese sei neben ihrem eigentlichen Zweck ein weiterer wichtiger Raum zur Begegnung.
"Wir glauben, dass Sie die Richtige sind", sagte Schülersprecher Alexander Bruckner. Er hofft auf eine enge Zusammenarbeit und faire Entscheidungen. "Letztlich ziehen wir alle an einem Strang."
Personalratsvorsitzender Christian Krebs attestierte Boysen-Stern eine hohe Fachkompetenz und leidenschaftliches Engagement. Gemeinsam mit Nicola Wölbern habe sich schnell ein eingespieltes Team gebildet.
Weitere Grußworte kamen vom Bensheimer Stadtrat Oliver Roeder sowie von den Schulleitern Kirsten Gebhard-Albrecht (Georg-August-Zinn-Schule Reichelsheim) und Bernhard Zotz (Starkenburg-Gymnasium Heppenheim).
Musikalisch umrahmt wurde die Feier vom Schulorchester unter der Leitung von Gundolf Aisenpreis und der AKG-Big-Band mit ihrer Chefin Sonja Hayer-Lenz. Für unterhaltsame Intermezzi sorgten Schülerinnen der Jahrgangsstufe sechs mit naturwissenschaftlichen Spielszenen sowie der Lehrerchor mit einer Ode an das AKG. tr
© Bergsträßer Anzeiger, Freitag, 16.12.2016
